schule für dichtung
 
      indonesien
 
nach der flut: indonesien übersetzen

deutschsprachige autoren / autorinnen: förderung und vermittlung indonesischer literatur, kunst und kultur

ein projekt der schule für dichtung (wien)
in zusammenarbeit mit komunitas utan kayu (jakarta)
initiator: ide hintze
initiatorin: ayu utami (siehe beiliegend: statement utami)
schirmherrin: elfriede jelinek (siehe beiliegend: statement jelinek)


1. präambel:

nach der tsunami-flutkatastrophe ist von regierungsmitgliedern verschiedener eu-länder angeregt worden, den betroffenen regionen nicht nur akut zu helfen, sondern auch langfristige partnerschaften aufzubauen. städtepartnerschaften, projektpartnerschaften. etc.
die sfd greift diese anregung gern auf und ist - wie viele andere europäische organisationen auch - bemüht, im rahmen ihrer möglichkeiten einen beitrag zu leisten.
die sfd wird sich auf die gebiete "sprache”, "schrift”, "interkulturelle verständigung” und "autoren/autorinnenförderung” konzentrieren.

2. ziele:

  • übersetzungen indonesischer literatur ins deutsche. literarischer feinschliff, auf der basis von rohübersetzungen: josef haslinger, robert schindel, anna mitgutsch, gert jonke
  • präsentationen indonesischer künstler / künstlerinnen in österreich
  • aufenthaltsstipendien für indonesische autoren / autorinnen
  • präsentationen österreichischer literatur, kunst und musik in indonesien

3. partner:

  • veranstaltungspartner: burgtheater, radiokulturhaus, akademie der bildenden künste
  • verlage (im gespräch): residenz verlag, deuticke verlag
  • organisationspartner: indonesische botschaft in wien, österreichische botschaft in jakarta, österreichisch-indonesische gesellschaft

4. finanzierung:

  • basisfinanzierung: stadt wien, bundeskanzleramt, außenministerium, bildungsministerium
  • laufende finanzierung: künstler / künstlerinnen widmen einnahmen aus büchern, cds, veranstaltungen, etc.
  • einrichtung eines förderkontos für private unterstützer / unterstützerinnen:
    bank austria, blz. 12000, kontonr.: 51516658701 "schule für dichtung in wien – indonesien"

5. öffentlichkeitsarbeit:

  • pressekonferenzen, interviews mit prominenten förderern / förderinnen
  • homepage: http://archiv2.sfd.at/akademie/2005/projekte/sub/12/

6. projektdauer:

  • phase 1: bis ende 2005
  • phase 2: sollte in phase 1 ausreichend interesse für eine fortführung des projekts geweckt werden können, ist an eine gesamtlaufzeit von 4 jahren gedacht. die aufenthaltsstipendien sollten in jedem fall für 4 jahre gewährt werden.

7. projektkoordination:

  • barabara fillips
  • mag. harriet nachtmann


p.s. 1: warum indonesien?

  • indonesien ist das von der flutkatastrophe am schwersten betroffene land
  • von den konflikten, erfolgen und fehlern der indonesischen sprach-, ethno- und religionspolitik (mehr als 200 ethnien und sprachen; die verhältnisse zwischen moslems, hindus, christen, juden und anhängern sogenannter “naturreligionen”) kann auch europa etwas lernen.
  • zu indonesien bestehen seit jahren intensive institutionelle und persönliche kontakte.


p.s. 2: vorarbeiten:

  • 2002 10: die indonesische autorin und menschenrechtlerin ayu utami leitet für die sfd eine via internet kommunizierte klasse zum thema “poesie und masochismus” und tritt bei mehreren veranstaltungen in wien auf (nationalbibliothek, alte schmiede u.a.)
  • 2003 08: auf der basis von indonesischen / österreichischen teilnahmen an indonesischen / österreichischen poesiefestivals und literaturveranstaltungen organisiert die sfd im sommer 2003 - 1 jahr nach dem terroranschlag auf bali - in kooperation mit einer der einflussreichsten asiatischen autorenorganisationen, der komunitas utan kayu, in jakarta und denpasar literarische workshops, vorlesungen, performances sowie eine ausstellung. diese veranstaltungen werden sowohl von aus österreich angereisten sfd-studenten und -studentinnen als auch von studenten und studentinnen aus indonesien, australien, japan, indien, usa, holland und deutschland besucht.
  • 2005 03: ayu utami in wien, stellt im rahmen einer pressekonferenz gemeinsam mit ide hintze die ziele der intiative "nach der flut: indonesien übersetzen" vor.

p.s. 3: ayu utami

  • 2005 03: ayu utami zählt zu den bedeutendsten indonesischen autorinnen. schon mit ihrem ersten roman "saman" (1998) hat sie internationales aufsehen erregt. nicht nur wegen ihrer sprache, sondern auch wegen ihrer sexuellen und politischen offenheit, die in einer muslimisch dominierten gesellschaft nachwievor eher ungewöhnlich ist. ayu utami ist eine weltgewandte frau, gilt als eine der wesentlichsten vertreterinnen der “komunitas utan kayu”, beherrscht einige sprachen, ist trägerin zahlreicher literaturpreise und hat ein besonderes interesse an österreichischer kunst und kultur, war u.a. zuletzt als sacher-masoch-expertin auf diversen internationalen symposien vertreten.


 

indonesien übersetzen
statement ayu utami
statement elfriede jelinek
statement elfriede jelinek (engl.)
 
Ayu Utami: Translating Indonesia
statement, press conference, Vienna, March 07, 2005


Thank you very much for giving me time to speak here and to invite me to Vienna again.
As you might know, the tsunami actually didn’t happen for the first time. It happened in Indonesia for the first time.
In the 18th century Lissabon, a european catholic city, was destroyed by a big tide. The city was on fire for 5 days. It killed some 50.000 people. So, it was a big disaster at that time.
This catastrophe opened up writers and authors like Voltaire and many others to rethink their views on life and god. At that time Europe was still a very religious society. Most people thought that the disaster was some kind of a punishment by god. This kind of view is still heard in many churches and mosques in Indonesia to interpret what happened in Aceh and in the northern part of Sumatra. It is a pity actually that they still interpret it as a punishment by god.

The wave nearly destroyed the northern part of Sumatra. The people of Aceh have lost all their property and belongings. Whether Aceh will disappear from earth or will survive depends not only on the people of Aceh but also on various other parties. The reconstruction of its infrastructure can be planned by the Indonesian government and foreign nations and various sympathatic parties. But the need to rediscover Aceh’s own identity and traditions very much depend on the people of Aceh themselves.
Aceh is a symbol of a greater area effected by the catastrophe, mainly the northern part of Sumatra or even Indonesia as a whole. Indonesia, geographically and geologically, is a very unstable spot on our earth. It is an area where 3 plates of earth crust collide. It is a ring of fire. It is a ring of active volcanoes. Indonesia is likely to face desasters like that in the future, again and again.

When the Schule für Dichtung came up with the idea of this project, we in Indonesia were already working on another project: translating Elfriede Jelinek’s books into Indonesian language.
Certainly, we are very enthusiastic about this project because we see the great chance of exchanging literature between both countries, which is still a rare opportunity, both for Indonesia and Austria. I think of it as a cultural exchange between 2 countries: bringing poetry, literature and concerts to Indonesia, bringing traditional and contemporary writers, artists and bands to Austria. When we talk about this project, certainly we talk about what we gain and what we give. I think it should be an antiracist exchange.

Indonesia with the biggest Moslems population in the world, Indonesia with geopolitical importance to the world, would very much want to be heard and to be listened. So, I am very happy to have read Elfriede Jelinek's statement about not being freezed. We have to get told. We need to be heard. Indonesia needs to be heard.

The more unstable undeveloped countries may have some frightful stories to tell, stories of disaster and pain, stories that will provide lessons to understand life and the world. I think this is the more ideal view about this project. We certainly can talk about a few details later …



 

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Elfriede Jelinek, März 2005:

Statement zu dem von der schule für dichtung initiierten Projekt "nach der flut: indonesien übersetzen"


"Ich bin sehr froh und stolz, die Schirmherrschaft über die Veranstaltung “nach der flut: indonesien übersetzen” übernehmen zu dürfen. Zuerst hat die Natur in diesen Ländern ihr strenges Wort gesprochen und ist mit schweren Schritten über alles und jedes, über die Menschen natürlich zuerst, denn die sind sehr weich und hilflos, hinweggeeilt, von den Küsten her, aber jetzt ist es Zeit, Mitleid zurückzuweisen und stattdessen selbst zu sprechen, der Natur etwas entgegenzuhalten. Jedes Wort-Spiel ist natürlich schwach, ist nichts gegen diese Naturgewalt, aber auch wenn es nur Sprach-Kleingeld ist, mit dem wir klimpern können, wir müssen es doch auf den Tisch werfen, damit der Geist nicht einfriert. Das Einfrieren ist eine schlechte Gewohnheit, eine, die das Wasser in Indonesien immerhin nicht annimmt, das tut es nur bei uns, und wir schlagen im Fremdenverkehr genug Profit daraus. Andrerseits friert hier so manches andre gleich mit ein, manchmal erfrieren auch die Gedanken, und man will gar nichts mehr sagen. Man hat es manchmal satt. Ich möchte gerne, daß in Indonesien gesprochen wird und daß man auf diejenigen hört, die sprechen. Und ich bin besonders froh, daß es eine Frau, eine Autorin, ist, die hier auftritt und, wie jede Frau, auch hier in Österreich, man soll sich da nicht täuschen oder selbst belügen, für alle anderen Frauen mitsprechen muß, wie es für Mitglieder einer unterdrückten Kaste eben üblich und nötig ist. Ich bin froh, daß es eine Frau aus einer vom Islam geprägten Gesellschaft ist, die in manchen Ländern auf schandbare Weise die Frau wirklich von allem ausschließt, sogar, wie vor kurzem noch, in Afghanistan, von medizinischer Betreuung. Ayu Utami ist eine Frau, die selbstbewußt für sich und andre spricht, und jetzt hier bei uns auftritt. Ich wäre sehr froh, wenn ich sie unterstützen dürfte und könnte."



 

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Elfriede Jelinek, March 2005

I am delighted and very proud to take on the patronage of this event ”after the flood - translating Indonesia”. Nature spoke harsh words in these countries and rushed in from the coastlines, trampling over everything, over people first of course, as they are soft and helpless. However now is the time to reject pity and instead to speak up, to stand up to Nature. All word play is essentially weak and counts for nothing against such a violent force of Nature, but even if we only have the small change of language to play with, we must still hurl it on the table so that the spirit does not freeze. Freezing is a bad habit, at least it will not catch on in the waters of Indonesia, it freezes here though, only here, and our tourist industry makes enough profit out of it. But then, here quite a few other things tend to freeze up as well, sometimes even thoughts freeze up and one no longer wants to speak. Sometimes one’s simply had enough. I wish words could be spoken in Indonesia and that those speaking them would be heard, too. I am particularly glad that it is a woman who is appearing here, a woman and a writer, who like every other woman – and it is no different here in Austria, let us not delude ourselves or pretend otherwise – has to speak for all women as is usual and essential for all members of an oppressed caste. And I am glad that it is a woman from a society shaped by Islam, which in some countries excludes women from everything in a most shameful way – even from medical care, as happened in Afghanistan not so long ago. Ayu Utami is a woman who speaks up for herself and others with confidence, and is now here with us. I would be delighted to be allowed to and
be able to support her.

Übersetzung/translation: Penny Black und Karin Rausch


 

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