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die ersten zeilen von jenny blochberger
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student:
Ich habe in letzter Zeit das Gefühl, mich in jemand anderen zu verwandeln. Nicht daß ich es an irgendetwas Konkretem festmachen könnte. Es ist, als hätte eine andere Person die Kontrolle über mich übernommen und lösche nach und nach meine typischen Eigenheiten aus, um sie durch andere, mir fremde Züge zu ersetzen. Das ist nicht einmal unangenehm. Eigentlich glaube ich, daß dieser Eindringling ein recht sympathischer Mensch ist. Daß es ein Mensch ist, muß ich wohl glauben, da mir der Glaube an Aliens, die sich in Menschenkörpern ainnisten, zu dumm erscheint, um wahrscheinlich zu sein. Seltsamerweise finde ich den Gedanken, ein anderer (bisher körperloser?) Mensch übernehme meine Person, durchaus logisch, auch wenn ich keine wirkliche Erklärung dafür habe, wie der Vorgang nun tatsächlich abläuft. Die Symptome sind allerdings eindeutig. Letztens hatte ich einen Streit mit Johannes. Es ging wie immer um etwas völlig Lächerliches, und er hat mich wie üblich genervt, aber nicht aufbrausend auf ein Fehlverhalten meinerseits hingewiesen. Das Seltsame daran war, daß ich mich, nachdem ich (wie sonst auch immer) herumgebrüllt und mich unfair behandelt gefühlt habe, bei ihm entschuldigt habe. Von einem Moment auf den anderen war mein Zorn wie weggeblasen. Nur ein diffuses Gefühl der Reue blieb zurück. Wer hat sich da entschuldigt?
Ein paar Tage danach war ich bei einem neuen Kollegen zum Essen eingeladen. Seine Frau hatte gekocht, Fisch mit irgendeiner grauenhaften asiatischen Sauce. Die Höflichkeit ließ mir keine Wahl, ich mußte es zumindest kosten. Es war hervorragend. Ich hasse doch asiatisches Essen, oder?
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kommentar von martin amanshauser |
1.600 zeichen statt 600 – übeungsvorgabe nicht eingehalten. text ist flott, hat aber viele überflüssige füllwörter. von der idee her mag ich es. nur ein paar kleine besipiele: dieses festmachen im 1. satz, das ist modejargon, nicht sprache. natürlich kann man so schreiben, aber ich finde, dann sollte man das bewusster tun. hier wirkt es so hingeschmiert. also etwas lieblos, ebenso wie sätze, die so gehen: „aber nicht aufbrausend auf ein Fehlverhalten meinerseits hingewiesen“, das ist pauschal und allgemein, ich finde aber, es könnte locker und elegant sein und das gleiche ohne diese phrasen ausdrucken. letzter satz: „Ich hasse doch asiatisches Essen, oder?“ ist mir zu allgemein. kein mensch hasst asiatisches essen, d.h., vielleicht schon, aber dann hasst er alles. es gibt zu viele total verschiednene asiatische küchen, als dass mir das einleuchtet. man könnte sagen, durch diese paradoxe aussage charakterisiere sich die figur. das finde ich aber nicht, denn die figur desavouiert sich hier zu stark. da ist dann der leser nicht mehr auf der seite der figur, was ja nicht sein soll.
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