die ersten zeilen von Cornelia Eichner
 

student:

Kastanien

kastanien kann man nicht essen. das sagst du. das sagst du jetzt. hast dus vergessen? wirklich? all diese...
Der Graubemantelte schnappt sich meine Tasche, packt sie in seinen Plastikbeutel. Den Schmuck auch: Oma Hildes Ohrringe, unseren Ehering. 24 Jahre stak er an meinem Finger. Meine Papiere interessieren ihn nicht. meine Papiere interessierten nie jemanden. Brave Staatsbürgerin, ich. Warum? Diese meine Frage erreicht ihn nicht. Der Moment verschwindet hinter mir. Es rattert. Knattert. Rattatawum! Eine Sirene. Worauf hatte ich mich eingelassen? Als würde diese Fahrt nie enden. ,,Endet denn diese Fahrt wirklich nie?‘‘, schreie ich. Ungehört. Ist das ewig, ist es das, was man Ewigkeit nennt? Eine Reise? Mein Hinterteil würde mir wehtun, wenn es noch könnte. Mein Lebtag setzte ich mich nie auf so eine Pritsche! Haltet endlich an! Oder macht wenigstens das Licht an, ihr Schweinebacken! Euch würde ich... ! Wenn ihr in meinem Land Gast sein würdet!
Der schwarze Transporter folgt langsam dem roten Roller. In der Kurve scheint die Straße nässer als anderswo. Die Fahrzeuge rutschen - wie in Zeitlupe. Der alte Turm kommt näher. Die Schotterpiste auch.
Olle Hippe – so hattest Du mich gestern Abend noch genannt. Und dabei süffizant in Dein leeres Weinglas gestarrt. Und ... Du sahst mal wieder bezaubernd aus. ,,Eine Blume für die Dame?‘‘ – diese Frage fiel gleichzeitig mit meiner: ,,Magst Du die Callas?‘‘ Das Glas fiel. Es sprang. ,,Blut‘‘ – sagtest Du und ich wußte: Du magst diesen Geschmack. Süß – gleichzeitig tod und lebendig..
und als es dann knackte, wussten wir, eine kastanie ist zerplatzt. zerplatzt im kaminfeuer. zerplatzt wie ...
Der Fahrer konnte das Steuer noch gerade so herum reissen in dieser Nacht. Die Fahrt ging wirklich weiter. Die Ewigkeit war noch nicht erreicht. ,,Aufhören‘‘, will ich schreien. Aber ich weiss nun – es ist sinnlos. Etwas tun, was sinnlos ist? Weil man Lust darauf hat? Dich küssen. Heute. Gleich nachher?
dann iss die kastanien, auch wenn sie nicht schmecken. oder wirf sie ins feuer.


 
kommentar von martin amanshauser

mit großer sprachlicher kraft geschrieben. da tut sich jemand leicht mit dem formulieren, und das respektiere ich.
abgesehen davon, dass die übungsvorgabe (es ist von 300-600 zeichen die rede) verfehlt worden ist, hab ich immer - auch unter einigen bisherigen beiträgen - probleme mit dem inneren monolog. es liegt vielleicht an mir. wie gesagt, ich hasse "leutnant gustl". ich bin da ungerecht. ich kann nicht anders.
zu einigen details könnte man was sagen, sprachlicher art. z.b. der ring der "am finger stak" (STAK!!!), oder die formuliereung "diese meine frage", oder diese "olle hippe" und andere fach und sachazusdrpücke - da kann man dran arbeiten.
der schluss mit den kastanien, das gefällt mir sehr.

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sorry: kastani / Conny / 14.10.2002 17:39
ich bitte um entschuldigung, ich hab geschusselt!
danke fuer die kritik!
innerer monolog / Conny / 14.10.2002 19:35
moegen Sie generell - subjektiv - keinen inneren monolog ... oder geht es mehr um die art und weise, wie innerer monolog eingeflochten wird?