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Red mir nicht vom Elend, von den armen Straßenkindern und ihren großen Augen. „Ja, tragisch, so schlimm.“ Dann hast du halt eine Reportage gesehen – und trotzdem keine Ahnung. Sag nicht ständig, „Ich weiß schon.“ Nichts weißt du von dem, was ich gesehen habe. Wofür fragst du mich nach dem, was ich erlebt habe, wenn du mir nicht zuhörst. Romantisch die Armut, wenn sie fern ist, wie heroisch sie sind die Armen, die doch immer so fröhlich und dankbar sind, mit dem bisschen, das sie haben. Nicht so wie wir hier, die kalten Europäer. Ich kann es nicht mehr hören, sei still, und lebe weiter in deiner klischeegespickten Welt. Nicht, dass du nie dort warst, werfe ich dir vor, aber dass du so tust, als wärst du dort gewesen. Und während dein Monolog über die ungleiche Güterverteilung, über politische Fehlentscheidungen und Entwicklungskonzepte konturenlos in meinen Ohren rauscht, spüre ich noch die kleine, schwitzige Hand, die die meine in aufgeregter Ungeduld umklammert, höre die bloßen Füße auf dem staubigen, rissigen Asphalt tappen, unregelmäßig, weil das eine Bein verkrümmt ist und er sich schwer tut, schnell zu gehen. Sehe dieses Gesicht, das mehr Kind in sich trägt als ich es jemals war und mehr Erfahrung und Reife, als ich sie je besitzen werde. Schmecke wieder die klebrige Süße von dem Erdbeer-Kaugummi – diese künstlich aromatisierten – den er mir mit den vom Im-Müll-Wühlen rauen und schmutzigen Fingern schnell, aber behutsam in den Mund geschoben hat, damit ich gesund werde, weil ich doch so weiß bin… So ist die Stadt, die ich erlebt habe, keine Stadt der Dome und Kirchen, der Strände und Bars, auch nicht die der Straßenkinder oder der Armen, sondern die Stadt von Danilo, und die von Maria und die von Rodrigo… Da fragst du mich, als Abschluss deiner Ausführungen über die steigende Kriminalität, das Analphabetentum und die mangelnde Hygiene in den Peripherien der großen Städte, in selbstgefälliger Erwartung lobender Zustimmung: „Ist es nicht genau so?“ – Und ich nicke: „Ja, genau so.“
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commentary by the teachers |
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The end of the piece is very strong, excellent. The idea of comparing what you experienced personally with what other people think is also good. Less successful are the pathetic descriptions of the children. Fresher vocabulary and images, fewer adhjectives would improve the text. Sei vorsichtig mit dem Ausdruck "klischeegespickten Welt"....
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