prose by Nikola Winkler
 
  Das Zimmer war ganz sicher das allerdeprimierendste, welches sie je betreten hat. Pappedünne Wände liessen einen jedes Räuspern am Gang hören, die Kälte kroch durch die Einfachverglasung, die Farbe blätterte in grossen Fetzen von den Türstöcken, der PVC-Boden wellte sich; die resopalbeschichteten Möbel, das Nachttischchen und der Schrank mussten von einem absoluten Laien zusammengezimmert worden sein. Ein lieblos aufgeknüpfter Vorhang der sich nur in eine Richtung aufziehen liess, die rechte Hälfte des Fensters blieb immer bedeckt. Die Einrichtung des Zimmers vervollständigt durch ein paar Accessoires von ausgesuchter Hässlichkeit, ein unbeschreiblicher Stuhl, eine sagenhafte Decken- und eine Wandlampe aus gelbbraunem Glas mit Bläschen drin, ein pseudo-Teppich, der in seinem jahrzehntealten Schmutz wahrscheinlich auch hochkant gestellt hätte werden können, und als Dreingabe ein giesskannengrünes Plastikding an der Wand, bei welchem es sich um eine Art Ventilator gehandelt haben dürfte. Sie hat es nie angefasst. Und doch, in gewissen Ecken dieses Hotels versteckte sich eine verblüffende, in ihrer Hilflosigkeit rührende Liebe: ein Stiegengeländer war umhüllt von einer Art Tischdecke, der man ansah, dass sie genau für dieser Ort bemessen war; vor offenbar zu heisse Radiatoren hatte jemand ein, zwei Resopalbretter mit Holzmasermuster genagelt, auf dass die Gäste sich nicht dran anlehnten und verbrühten. Die Stockwerksbeschriftungen waren in feinster kyrillischer Handschrift auf einem Blatt Papier über dem Lift an die Wand gepinnt, die Seife im Hotelzimmer war sorgfältig mit einem Messer halbiert worden, genauso die Servietten in der Kantine, mit der Schere geteilt. Überhaupt diese Kantine, wo die Frauen auf dicken Beinen emsig auf- und abgehen, einem die Suppe in den Teller schenkend, das Kompott zurechtrückend. Die haben schon so gekocht, da warst du noch bei die Engerlein, die würden, lebten sie ewig, ewig und immer genau so das Fleisch auf einen Kartoffelbrei legen und die Suppe, in der das Fleisch gekocht hat, mit Kohl verfeinern. Dazu hat man Kompott zu trinken, das hält einen gesund und rotbackig, das war schon immer gut und wird es auch immer sein. Das Mütterchen sorgt für Dich.  
  commentary by the teachers
 
Wir haben versucht uns detektivisch am
den Ort des Geschehens heranzutasten.
Russland? Bulgarien? Irritierend ist aber
der Wechsel zwischen Beschreiben und
Bewerten. Völlig unmöglich ist der Satz
mit den "Engerlein".