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european kalevala

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kalevala von:
maria mackenroth


Ahnenforschung

Zeus, das Rindvieh, brachte brünstig,
denn die Gegend schien ihm günstig,
einst Europa bis nach Kreta.
Dort - gelabt mit Wein und Feta -
machten Rind und Dame Junge.
Drei nach ihr von Zeh bis Zunge.
Doch ein Enkel, armer Tropf
trug später wieder Ochsenkopf.
Europäisches Verhalten
geht zurück auf diese Alten.











kommentar von gisbert jänicke


Zum Hintergrund:
Das vorgegebene Muster in finnischer Sprache war für die
Aufgabe zu kurz, um ein adäquates Bild von Rhythmus
und Metrum des Kalewala zu vermitteln. Vergleicht man
jedoch die gesungene Probe mit dem geschriebenen Text
[wobei zu bemerken ist, dass im Finnischen die Betonung
eines Worts ungeachtet dessen Länge immer auf der
ersten Wortsilbe liegt, bei viersilbigen Wörtern ist ein
Nebenakzent auf der dritten Silbe möglich], tritt die
Komplexität des Epos zutage. Während sich der
gesungene Vortrag an das sog. Kalewala-Metrum
[vierfüßiger Trochäus] hält, folgt der Lesetext den
Betonungsregeln der Normalsprache. Die
rhythmisierenden Elemente des Kalewala sind
lautmalerische Klangfiguren wie Alliterationen [gleicher
Anfangslaut zweier oder mehrerer Wörter innerhalb einer
Zeile] und Assonanzen [vokalischer Gleichklang zweier
oder mehrerer Wörter, vorzüglich am Versende, wodurch
von Fall zu Fall ein Reimschema entsteht, das in formaler
Hinsicht aber nicht bindend ist] und zum anderen ein
strenges Schema von jeweils 8 Silben pro Vers. Ein drittes
wichtiges [inhaltliches] Element ist der Parallelismus, die
sinngemäße Wiederholung der Aussage eines Verses im
darauf folgenden Vers [Haupt- und Nebenvers].

Die als Beispiel mitgegebene deutsche Übersetzung
verzichtet auf die formalen Elemente des Originals, weil
diese sich beim Übersetzen [im Gegensatz zu original
gedichteten Texten] nachteilig auf die Aussage [den
Inhalt] auswirken können, behält aber den Parallelismus
bei, wobei sie Haupt- und Nebenvers jeweils zu einer
Doppelzeile zusammenzieht.

Zur Übung:
Die eingesandte Probe befolgt das sog. Kalewala-Versmaß
[vierfüßiger Trochäus, Hebung auf der ersten Silbe, — v],
verstößt allerdings in Zeile 8 gegen das Metrum, indem sie
im ersten Versfuß einen sog. Schwachfüßler
[Amphibrachys, Schema v — v] verwendet. Zeile 7 ist
katalektisch, verzichtet also auf die letzte Silbe in der
Senkung. Katalexe [Unvollständigkeit des letzten
Versfußes] und Hyperkatalexe [Verlängerung des Verses
durch eine oder mehrere Silben] ist bei metrisch
gebundenen Texten [wie das Kalewala einer ist] erlaubt
und sogar erwünscht, denn sie durchbrechen die leicht
entstehende rhythmische Monotonie. Nach Korrektur der
Zeile 8 ist das nette Gedicht in metrischer Hinsicht in
Ordnung.