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european kalevala

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kalevala von:
Maria Mackenroth


Europa materiell

Näher näher Europäer
rückt zusammen, denn der Späher
astrophysikalisch kündet:
Schwarz die Masse, die da gründet
unser All, das alte Alles
und im Falle eines Falles
ist die schwarze Masse mächtig
mächtig groß und niederträchtig
darum lasst uns ohne säumen
noch etwas Europa träumen.
Noch mal speisen nach der Karte
ganz Europas - jede Sparte:
Blinis, Blutwurst, Oliebollen
Minestrone, Apfelstollen,
Mozarella, Rentierschinken -
dazu Wein und Schnäpse trinken,
Tränen über Kunst vergießen
auch einander sehr genießen.
Welche Wonne - für ein Weilchen
glückliche Materieteilchen.



kommentar von gisbert jänicke


Was kann man zu diesem Gedicht anderes sagen, als dass
es, wie die beiden früher eingesandten Beiträge, in
technischer Hinsicht wieder einwandfrei gebaut ist. In
thematischer Hinsicht allerdings hält es sich nicht an die
gestellte Aufgabe, die Geburt Europas zu schildern [der
erste Beitrag vom 27.7. kam trotz seines satirischen Tons
dem Thema näher]. Statt dessen ist Europa, und sind die
Europäer, hier voll im Gange. Sie bekriegen sich nicht,
sondern fressen und saufen, was ja auch eine ihrer
Eigenschaften ist.

Da Sie offensichtlich von der Aufgabe angetan sind,
könnten Sie einmal versuchen, die Form ihres Gedichts
[nicht unbedingt ihr Thema] näher an das Kalewala
heranzubringen, indem Sie auch den Parallelismus mit ins
Bild bringen. Das bedeutete eine straffere Gliederung,
indem die Aussage einer Zeile in der darauffolgenden
Zeile variierend wiederholt wird [„Ich habe große Lust, /
ich habe lang daran gedacht, / ans Singen mich zu
machen, /sprechend Verse herzusagen“]. Falls bei einem
solchen Versuch das angestrebte metrische Schema nicht
auf den Platz fällt, könnte man es auch mit rhythmisch
strukturierten freien Versen versuchen.