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european kalevala

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kalevala von:
Richard Faderny


geschicht gedicht

er sieht den wald vor lauter bäumen nicht
noch wagt der mensch zu träumen nicht
finster, dunkel ist das leben, nur unter mühsal weiterzugeben,
angst und sorge lassen alle beben. nicht einfach war es eben,
doch liebe, leidenschaft bringt licht,
die hoffnung immer lauter spricht,
generationen erzählen die geschicht,
und so entstand auch dies gedicht.













kommentar von gisbert jänicke


Zum Hintergrund:
Das vorgegebene Muster in finnischer Sprache war für die
Aufgabe zu kurz, um ein adäquates Bild von Rhythmus
und Metrum des Kalewala zu vermitteln. Vergleicht man
jedoch die gesungene Probe mit dem geschriebenen Text
[wobei zu bemerken ist, dass im Finnischen die Betonung
eines Worts ungeachtet dessen Länge immer auf der
ersten Wortsilbe liegt, bei viersilbigen Wörtern ist ein
Nebenakzent auf der dritten Silbe möglich], tritt die
Komplexität des Epos zutage. Während sich der
gesungene Vortrag an das sog. Kalewala-Metrum
[vierfüßiger Trochäus] hält, folgt der Lesetext den
Betonungsregeln der Normalsprache. Die
rhythmisierenden Elemente des Kalewala sind
lautmalerische Klangfiguren wie Alliterationen [gleicher
Anfangslaut zweier oder mehrerer Wörter innerhalb einer
Zeile] und Assonanzen [vokalischer Gleichklang zweier
oder mehrerer Wörter, vorzüglich am Versende, wodurch
von Fall zu Fall ein Reimschema entsteht, das in formaler
Hinsicht aber nicht bindend ist] und zum anderen ein
strenges Schema von jeweils 8 Silben pro Vers. Ein drittes
wichtiges [inhaltliches] Element ist der Parallelismus, die
sinngemäße Wiederholung der Aussage eines Verses im
darauf folgenden Vers [Haupt- und Nebenvers].

Die als Beispiel mitgegebene deutsche Übersetzung
verzichtet auf die formalen Elemente des Originals, weil
diese sich beim Übersetzen [im Gegensatz zu original
gedichteten Texten] nachteilig auf die Aussage [den
Inhalt] auswirken können, behält aber den Parallelismus
bei, wobei sie Haupt- und Nebenvers jeweils zu einer
Doppelzeile zusammenzieht.

Zur Übung:
Der Autor ist der erste unter den bisher eingesandten
Proben, der statt des sog. Kalewala-Versmaßes [vierfüßige
Trochäen] ein jambisches Metrum wählt, was im
Deutschen leichter zu handhaben ist als der etwas
feierliche Trochäus. Er wechselt im Rhythmus a-b-b-a-a-
b-b-b-a-b zwischen zehn– und achtfüßigen Jamben ab
[Hebung auf der zweiten Silbe, v —], was ein interessantes
rhythmisches Gefüge bildet; der Rhythmus wäre noch
einheitlicher gewesen, wenn auch die Silbe 8 zehn statt
acht Silben aufgewiesen hätte. Zeile 6 ist katalektisch, um
eine Silbe verkürzt, was in metrischer Hinsicht nicht
störend ist. Störend dagegen ist Zeile 9, die nur scheinbar
hyperkatalektisch ist, eine Silbe mehr aufweist;
Hyperkatalexe aber [auch diese ist erlaubt und bei
längeren Texten sogar erwünscht] bedeutet, dass eine
oder mehrere [meist unbetonte] Silben an den letzten
Versfuß angehängt werden. Dies ist hier jedoch nicht der
Fall, sondern Zeile 9 endet mit einem vollendeten Versfuß;
die Zeilenverlängerung entsteht dagegen durch das etwas
unglückliche, weil metrisch schwer zu hantierende Wort
„Generationen“ am Anfang der Zeile.

Problematisch sind außerdem die Zeilen 3 und 5, in denen
der Autor plötzlich von Jamben zu Trochäen [Hebung auf
der ersten Silbe, — v] übergeht, wodurch der Rhythmus
und dadurch auch der Lesefluss unterbrochen werden.
Nach Korrektur dieser drei Problemzeilen wäre das
hübsche Gedicht perfekt.





Eine Zeile zuviel / RichieF / 20.07.2006 15:46
würde "generationen erzählen die geschicht" weglassen, habe mich leider verzählt (sorry)
Ähemm, der Umbruch / RichieF / 20.07.2006 15:50
ists ! Es ist keine Zeile zu viel, aber:
...
finster, dunkel ist das leben
nur unter mühsal weiterzugeben, angst uns sorge lassen alle beben,
nicht einfach war es eben. liebe. leidenschaft bringt licht,
...