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farnblütenlese - "massenheilungen folgen in kürze"
die klasse endet am 16. dezember
die teilnahme ist am 16.12. noch bis 22 uhr möglich.
16. dezember: tipp
“farnblüte”-veranstaltung zum 10. todestag von christian loidl
19.00 tachles, karmeliterplatz 1, 1020 wien
mit otto lechner, jaan klasmann, eva lavric, serge van duijnhoven, hillary keel, bernhard widder, christian katt, susanne toth, wolfgang musil
22.00 fackelzug zur christian loidl-wohnung (vereinsgasse 3/12)
ein kommentar zu “farnblütenlese”:
nach der genaueren betrachtung der beiträge seit dem 5. november 2011 möchte ich einige weitere gedanken an christian katts resumé vom 15. november anfügen. mittlerweile haben sich weitere aspekte bei zwei anlässen ergeben:
am 25. november fand in der sfd eine diskussion über die übung “farnblütenlese” mit der gedicht-maschine mit zwei teilnehmern und den drei lehrenden statt.
am 2. dezember 11 war der SALON no. 193 seinem mitbegründer christian loidl gewidmet. der erste teil stellte die übung ausführlich vor, auch die technischen aspekte wurden von den beiden erfindern der aufgabe, christian katt (methode der “maschine” nach einem notizbuch christian loidls) und orhan kipcak (digitale umsetzung und gestaltung der idee). die teilnehmer zinnober und michael beisteiner lasen ihre gelungenen beiträge.
ein wichtiger aspekt für die teilnahme bei der übung ist einfach die zeit, die man sich für die “konstruktion” eines gedichts selbst nimmt. christian katt hat da gute praktische hinweise gegeben, die verwendung von ausdrucken angeregt, den wiederholten blick auf das ausgangsgedicht KOPF von christian loidl empfohlen. das kann ich nur bestätigen. die übung hat durch die beschränkte zahl der wörter innerhalb der gedicht-maschineeine erhebliche einschränkung, die aber von den teilnehmern selbst wieder aufgehoben werden kann, indem neue wörter mit den entsprechen zahlenwerten gesucht und gefunden werden. das benötigt weiteren fleiß und zeitaufwand.
was kann jemand, der gedichte schreibt oder schreiben will, von einer maschine mit dem ausgangsgedicht KOPF eigentlich erwarten? ist dieser zugang zu lyrik in irgendeiner weise mit dem schreiben von eigenen gedichten vergleichbar?
der zugang zu dieser übung ist anders, das ist das neuartige daran. der teilnehmer lässt sich auf spielregeln ein, die bewusst einschränkungen bilden. sie sind teil eines sprachspiels, das auf mehreren ebenen fußt.
sind die ergebnisse der teilnehmer, von denen einige über wochen fleißig waren, als eigene und eigenständige werke zu sehen? was hat ein teilnehmer von dieser nicht leichten übung?
es ist zu einem eben eine übung, ein sprachspiel mit vorgegebenen ready-mades (so lässt sich diese ungewöhnliche maschine auch betrachten).
in meiner sicht kann es im rahmen dieser übung nicht darum gehen, dass man buchstäblich oder wörtlich zu völlig eigenen werken gelangen kann, denn dazu ist der rahmen (die auswahlmöglichkeiten an wörtern mit demselben zahlenwert wie das jeweilige wort des ausgangsgedichts KOPF) in vieler hinsicht eng. aber mit den vorhandenen möglichkeiten an wörtern lässt sich das eigene sprachgefühl schärfen, wenn man sich länger darauf einlässt.
nach meiner erfahrung ist die digitale gedichtmaschine dafür ein sehr geeignetes medium, dem ich vor 2002 noch nicht begegnet bin. es lässt sich schwer vorstellen, diese methode nur auf papier (mit einer unzahl an ausdrucken) durchzuführen.
die übung besteht aber auch nicht darin, in kurzer zeit zusammenhanglose gebilde in der form dreier kurzer strophen zu erstellen. die maschine verführt natürlich zu solchem tun. das ist als einstieg in die übung ganz lustig, verfehlt aber die zweite aufgabe der übung, die darin besteht, das ausgangsgedicht KOPF von christian loidl als modell zu sehen.
dieses enigmatische gedicht besteht aus drei kurzen strophen, die wiederum unterschiedliche aussagen und beobachtungen enthalten. auf eine undurchsichtige weise wirkt dieses gedicht harmonisch, obwohl die drei strophen keinen geschlossenen sinn ergeben. der dreizeilige zweite teil (“zieht einen kreis aus klang / sagten sie / vom insekt”) wirkt wie eine bewusste abgrenzung, schon durch die kürzere form. aber auch hier fällt die formale oder rhythmische ähnlichkeit von “zieht einen kreis aus klang” zur ersten zeile “hieß der ort des eingangs” auf. auffallend ist die konkrete sprache, die christian loidl in den drei strophen einsetzt, und der vorherrschende, rätselhafte eindruck des gesamten gedichts. wer spricht oder beschreibt da jeweils? ist es die stimme des dichters, oder zitiert er uns nicht bekannte stimmen?
im rahmen einer digitalen “schreibklasse” der sfd ist die vermittlung dieses ausgangsgedichts KOPF für mich der schwierigste teil. die situation eines seminarraums wäre geeigneter, um sich mit KOPF genauer zu beschäftigen. es würde neben einer analyse des gedichts die teilnehmer direkter zur der frage führen, wie man sich KOPF annähern sollte. das heißt natürlich nicht, dass es dafür nur eine möglichkeit gibt, sondern es sind viele.
die schreibklasse (4. november – 16. dezember 2011) brachte weniger beiträge als die vom herbst 2002. dafür waren viele neue beiträge von guter qualität, und diejenigen teilnehmer, die in der übung vor allem das schnelle erstellen von zusammenhanglosen gebilden sahen, waren zu meiner erleichterung nur wenige.
die größte schwierigkeit innerhalb der gedichtmaschine bestand in der dritten strophe, in den zeilen 3-5, und das bedeutete eine einschränkung für die eigene gestaltung.
bernhard widder, 19. dezember 2011
2. dezember: “christian loidl – jäger in buchstabensuppe“
klassenpräsentation (zusammen mit der buch-präsentation christian loidl: “gesammelte gedichte“, klever verlag 2011, hg. von eva lavric und jaan karl klasmann)
zeit: freitag, 2.12.2011, 20.00 uhr
ort: salon, praterstr. 17, 1020 wien
25. november: analoges treffen
wir laden alle teilnehmenden der klasse “farnblütenlese“ herzlich zu einem treffen mit den lehrenden eva lavric, christian katt und bernhard widder in die sfd.
zeit: freitag, 25.11.2011, 17.00 uhr
ort: schule für dichtung
mariahilfer str. 88a /stiege III /7 (U3 zieglergasse, ausgang andreasgasse)
1070 wien
t: 522 35 26
um anmeldung wird gebeten: sfd@sfd.at
anregungen zur übung farnblütenlese:
bisher sind sehr verschiedenartige beiträge eingelangt:
einerseits entstehen sehr poetische gebilde, andererseits recht wilde wortgefüge, (seinerzeit habe ich ja - in diesem zusammenhang - fr. l. gegenüber bemerkt, dass ihr text auf mich wie ein “auffahr-unfall” wirkt).
unsere lyrik-maschine verführt zu einem schnellen – vielleicht allzu schnellen – anklicken von einzelworten und kombinieren derselben.
es geht in diesem spiel aber nicht darum, möglichst schnell ein gedicht zusammenzuklicken. es geht auch nicht darum, zu schreiben wie christian loidl geschrieben hätte. es soll aus dem zur verfügung stehenden wort-material (das übrigens ja jederzeit erweitert werden kann) etwas neues spannendes, erfreuliches, bestürzendes, berührendes, usw. entstehen.
(und wenn sie - abseits der übung - daraus, oder aus den “resten” ein notat, einen haiku, eine kurzgeschichte formen, oder was immer, so ist das auch gut.)
ich verweise hiermit nochmals auf das zitat von octavio paz, das ich 2002 auf die seite “übung” gestellt habe.
empfohlen wurde ja bereits das ausdrucken und neben-den-computer-legen des loidl-ausgangs-gedichtes. ich rate dazu, auch den eigenen beitrag vor dem absenden abzuschreiben und auf dem papier weiterzubearbeiten: also z. b. manche wörter, die nicht ins gefüge passen, zu markieren und sodann durch andere zu ersetzen, etc.
klar ist es angeraten, syntax, semantik, die struktur des loidl-gedichtes zu beachten und zu erforschen: wo und was ist der kopf, wo sind die perspektiven? wie verschieben sich diese? wie ist das ganze gefügt? wie verhalten sich die einzelnen teile zueinander? wieso sind die zeilenumbrüche so wie sie sind?
(überhaupt ist es von vorteil, möglichst viele gedichte von christian loidl zu lesen!) wenn sie also der struktur der vorlage folgen, ist das wunderbar..
aber auch wenn jemand die erste zeile als titel nimmt und diesen nicht mit dem folgenden verbinden will, soll das sein, wenn es zu einem gelungenen text führt.
und auch ein nonsens-text kann manchmal zu etwas spannendem anderen führen.
beachtenswert – in diesem und anderen kontexten – ist der untertitel, den der erklärte buddhist christian loidl für seine schreibklasse 1993, an der schule für dichtung, gefunden hat: salamiherstellung aus heiligen kühen.
oft sind der erste, oder erster und zweiter teil der beiträge durchaus gelungen und der dritte fällt dagegen dann stark ab. ist das ein zeitproblem? ich glaube schon.
die übung sieht zunächst kompliziert aus. hat man aber eine umgangsform gefunden, scheint sie dann vielen zu leicht, und sie nehmen sich nicht genügend zeit.
aber auch ein “zuwiderhandeln“ kann durchaus interessant sein: sich einerseits möglichst schnell “durchzuklicken“, dies als vorlage zu verwenden (sie müssen das ja nicht sofort abschicken!) und sich in folge für die ausarbeitung möglichst viel zeit zu nehmen.
wie sagte schon bob dylan so treffend: the purpose of art is to stop time.
(nebenbei interessieren würde mich auch, an welchen orten jeweils die beiträge entstehen! im internet-cafe, irgendwo unterwegs, oder im so genannten stillen kämmerlein..).
anmerkungen zum titel der übung:
farnblütenlese ist - als bezeichnung für eine mögliche anthologie - dem titel des 1996 erschienenen gedichtbandes farnblüte von christian loidl (2011 wiederaufgelegt in der edition farnblüte) zugeeignet. eine litauische legende besagt, dass farnblüten - als nicht real existierende botanische wesen - nur in der johannisnacht und nur von liebenden gesehen werden können. das schien mir als titel für die bemühung von menschen, gedichte zu schreiben, als sehr geeignet. den untertitel: massenheilungen folgen in kürze, wählte ich dazu als kontrapunkt. dieser ist ebenfalls einem loidl-gedicht entnommen (der webmeister des verlorenen fadens, (für harry smith, 1923?-1991), in: die jack kerouac school of disembodied poetics. sisyphus-verlag, 1991).
phantasie und utopie als kontrast, kontrapunkt und erweiterung..
christian katt, 15. november 2011